Ein Themenfeld – viele Perspektiven
Unter dem Motto „Regionen verbinden. Menschen bewegen.“ boten die Veranstalter ein vielfältiges Programm mit Vorträgen, Diskussionen und einem Marktplatz der Ideen. „Die große Teilnehmerzahl der Tagung zeigt, dass dies eine Aufgabe ist, die unsere Gesellschaft umfassend betrifft“, so Dr. Katja Böhler, Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft zur Eröffnung der Veranstaltung: Der Bevölkerungsrückgang und die Alterung der Bevölkerung träfen besonders den ländlichen Raum. Aber auch wer täglich zur Arbeit oder zur Schule pendele, könne aufgrund mangelnder Bus- und Zugverbindungen oft nicht auf das Auto verzichten. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, seien vor allem praxistaugliche Umsetzungskonzepte für die Entwicklung des öffentlichen Personenverkehrs gefragt, erklärte der erste Beigeordnete des Landrats im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, Maik Kowalleck, in seiner Begrüßung. Dass zudem auch die gesellschaftliche Akzeptanz neuer Mobilitätsangebote für den ländlichen Raum entscheidend sei, betonte RicoChmelik, Geschäftsführer des automotive thüringen e.V., in seinem Grußwort:
„Wie nehmen wir die Menschen mit? Und wie können wir sie beteiligen? Die besten Angebote bringen nichts, wenn sie nicht genutzt und akzeptiert werden.“
Fünf Impulsvorträge beleuchteten die Mobilitätswende anschließend aus verschiedenen Perspektiven. Constantin Pitzen, ÖPNV-Experte der Fahrplangesellschaft B&B mbH, hob die Bedeutung integral getakteter Fahrpläne (ITF) hervor, die Fahrzeiten von Zügen und Bussen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten so aufeinander abstimmen, dass Fahrgäste ohne lange Wartezeiten, aber mit ausreichend Zeit zum Umsteigen ihre Anschlüsse erreichen – und so auch ohne eigenes Auto von A nach B kommen:
„Sie [integrale Taktfahrpläne, AdR] sind ein guter Anreiz zur Nutzung des ÖPNV und ein gutes Projekt, um die Mobilitätswende 2030 zu bewältigen.“
Anke Borcherding vom Wissenschaftszentrum Berlin mahnte eine grundsätzliche Neuausrichtung öffentlicher Verkehrsangebote an und skizzierte Maßnahmen, um die Dichte des Individualverkehrs im Großraum Berlin zu bewältigen.
Aus dem Mobilitätsreferat München zeigte David Gordon auf, wie mit kombinierten Linien- und flexiblen, individuellen Rufbussen, so genannten on-demand-Angeboten, die Attraktivität des ÖPNV gesteigert werden kann. Stadt und Land müssten dabei zusammengedacht werden:
„Solange wir das im ländlichen Raum nicht hinbekommen, werden wir auch als Stadt unsere Probleme nicht in den Griff kriegen.“
Christoph Mundri, Entwicklungsingenieur der EDAG Engineering AG, stellte das Konzept des „citybot“ vor. Die für vielfältige kommunale Aufgaben einsetzbaren fahrerlosen Fahrzeuge bieten neue Ansätze, die demnächst auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens erprobt werden.
Mut zur Veränderung: ÖPNV und betriebliche Mobilität müssen sich weiterentwickeln
Am Nachmittag nahm das Forum Mobilität regionale Herausforderungen in den Blick. Dirk Bergner, Geschäftsführer der KomBus GmbH, schilderte in einem Impulsvortrag, wie sein Unternehmen mit dem Deutschlandticket oder jüngsten Gesetzesvorgaben umgeht sowie in Zeiten dramatischen Personalmangels on-demand-Verkehre realisiert und die Fahrpläne auf eine integrale Taktung umstellt:
„Unser Ziel ist es, einen ÖPNV anzubieten, der dazu führt, dass unsere Bürgerinnen und Bürger ihr Auto zuhause stehen lassen.“
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Keynote-Rednern und Kerstin Endrigkeit, Personalleiterin der AWO Saalfeld, hob diese die Bedeutung eines Mobilitätsmanagements hervor, das auch das breite Aufgabenspektrum und die verteilten Arbeitszeiten des Sozialdienstes berücksichtigt.
Thematisiert wurden außerdem Herausforderungen wie die Finanzierung neuer Mobilitätsangebote. Constantin Pitzen:
„Wir müssen zu einer Form kommen, die nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus Klimaschutzgründen effizient ist.“.
Im Rahmen des Gesprächs wurden außerdem das Ilmenauer Pilotprojekt P:Mover als technologischer Hoffnungsträger für den künftigen ÖPNV im ländlichen Raum sowie das seit September 2024 für fünf Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Mobilitätsverbund werthaltige ländliche Lebensräume - MOVEwell“ vorgestellt. Es bringt die AWO Saalfeld, die Zentralklinik Bad Berka und die Stadtwirtschaft Weimar mit dem Anwendungspartner HighQ und den Forschungseinrichtungen am ThIMo und der Bauhaus-Universität Weimar zusammen. Gemeinsam entwickeln sie in interkommunalen Reallaboren Know-how von der Verkehrsplanung über hochautomatisiertes Fahren bis zur gesellschaftlichen Akzeptanz: „Wir erarbeiten praxistaugliche Mobilitätskonzepte, die den demografischen Wandel sowie die umwelt- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen berücksichtigen“; so ThIMo-Forschungsreferent Dr. Carsten Schauer:
„Unser Ziel ist es, Pilotprojekte ins Rollen zu bringen, die die Kommunen einbeziehen und - unterstützt durch die Thüringer Landesentwicklungsgesellschaft und die Ministerien für Wirtschaft und Verkehr - in ein Leitbild für die zukünftige Mobilität in Thüringen münden sollen.“.
Wirtschaft trifft Wissenschaft
Das Mobilitätsforum wurde ganztägig von einer rege besuchten Transfermesse begleitet, bei der Themen wie ÖPNV, multimodale Mobilitätsangebote, Verkehrsinfrastruktur, Wandel der Automobil- und Zulieferindustrie oder Unterstützungsangebote für Transfer, Transformation und Wirtschaftsförderung intensiv diskutiert wurden.
„Mit dem Forum ‚Mobilität in ländlichen Räumen‘ haben wir Impulse für neue Ideen gesetzt, die helfen sollen, Thüringen zu einer Mobilitätsmodellregion zu entwickeln“, resümiert Tagungsleiter und ThIMo-Direktor an der TU Ilmenau Prof. Matthias Hein:
„So werden das ThIMo und seine landesweiten Kooperationspartner ihrem gesellschaftlichen Auftrag gerecht, Thüringer Unternehmen und Einrichtungen mit Forschung und Innovation sowie die Bevölkerung mit praxistauglichen Angeboten durch die Mobilitätswende zu begleiten.“