Projektregion
Die Analyse der Erreichbarkeitsstandards in Thüringen zeigt, dass ein Leben ohne Auto im ländlichen Raum kaum möglich ist.*) Die Fahrzeit mit dem ÖPNV zum nächsten zentralen Ort ist für ein Drittel der Einwohner:innen um den Faktor 1,7 länger als mit dem Pkw. Ein Großteil der Thüringer:innen hat keine stündliche Verkehrsverbindung. Mit dem Planungsinstrument „Integraler Taktfahrplan (ITF)“ und einem Zubringersystem aus alternativen Angebotsformen (On-Demand-Verkehren, Rufbussen) und weiteren Beförderungsangeboten verfolgt Thüringen das Ziel, eine Erreichbarkeitsgarantie bis 2030 zu gewährleisten, um die Bevölkerung in allen Lebensbereichen mobiler zu machen und gleichzeitig den Herausforderungen des demografischen und klimatischen Wandels zu begegnen.
Die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG Thüringen) erarbeitete im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) einen ITF-Rahmenplan für den gesamten Freistaat, der die oft an Kreisgrenzen endenden Verkehrsangebote vernetzen soll. Dieser Rahmenplan ist die fundierte Basis für die Erstellung von Detailplanungen der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte.
Als erstes wurde für den Saale-Orla Kreis eine umfangreiche Detailplanung erarbeitet, die zeigen soll, inwieweit die Überlegungen für den Integralen Taktfahrplan Thüringens tatsächlich auch praktisch umsetzbar sind. Mit einem zeitlichen Versatz von etwa einem halben Jahr wurden damit begonnen, die Feinplanungen für die Modellregion Landkreis Saalfeld-Rudolstadt zu erstellen, die Ende 2024 großenteils fertiggestellt sein werden. Anschließend sind in den übrigen Landkreisen Thüringens (Fokusregionen) entsprechende Ausarbeitungen vorgesehen.
Die Planung und Realisierung von landesbedeutsamen Buslinien auf nachfragestarken Strecken im PlusBus-Standard und die flächendeckende Einführung von alternativen Angebotsformen (On-Demand-Verkehren, Rufbussen) werden durch Maßnahmen wie betriebliches Mobilitätsmanagement, Verbesserung der intermodalen Schnittstellen, Erforschung und Einführung neuer Mobilitätstechnologien und -angebote sowie eine iterative Weiterentwicklung durch Bürger:innenbeteiligung ergänzt. Auf diese Weise trägt das Projekt dazu bei, die Verkehrsangebote zu einem „ganzheitlichen Angebot einer neuen Mobilität“ zusammenzuführen.
Laut Bundeszentrale für politische Bildung unterscheiden sich die ländlichen Räume in Deutschland hinsichtlich ihrer Bevölkerungszusammensetzung, Lage, Ressourcenausstattung, Landnutzung und Wirtschaftsstruktur. Ländliche Kreise und Kommunen stehen daher vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen, auch wenn Demografie, Sicherung der Daseinsvorsorge, Bildung, Innovation, Wertschöpfung oder Strukturwandel im Zuge der Digitalisierung für alle gleichermaßen wichtig sind. Thüringen bietet ideale Voraussetzungen, diesen Herausforderungen mit dem im Projekt MOVEwell vorgestellten Konzept zu begegnen:
- Wichtige Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen für den multimodalen Personen- und Güterverkehr mit sehr ländlichen, eher ländlichen sowie suburbanen und urbanen Regionen
- Qualitativ unterschiedliche, wirtschaftlich relevante Bedarfsträger für maßgeschneiderte, repräsentative, skalier- und standardisierbare Lösungen in Mobilität, Verkehr und Logistik
- Transformationsstarke, forschungsaktive Gebietskörperschaften, Branchennetzwerke und Testfelder für automatisierten, vernetzten Personen- und Güterverkehr („smart communities“)
- Starkes Wissenschaftsnetzwerk mit Großprojekten und innovativen Mobilitätstechnologien für Verkehr, Verkehrsmanagement, Vernetzung und Logistik

Die Projektregion umfasst die benachbarten Landkreise Saalfeld-Rudolstadt, Weimarer Land, Ilm-Kreis sowie die darin eingebetteten Städte Weimar und Ilmenau, deren forschungsstarke Hochschulen sowie Bedarfsträger aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, Gewerbegebiete, Betreiber, kommunale Einrichtungen und Technologie-Enabler. Die Reallabore fügen sich nahtlos in das interkommunale Netzwerk ein, das flächen- und bevölkerungsmäßig ein Sechstel Thüringens umfasst.
*) TLVB: Gesamtheitliche Mobilitätsangebotsanalyse aktueller Erreichbarkeitsstandards in Thüringen, Erfurt, 2021